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Wenn ein Buch in mehrere Schubladen passt ...

Wenn ein Buch in mehrere Schubladen passt ...

Karl Rathmanner

Bibliothekar an der FH St. Pölten

„AK 28300“ hilft auch nicht weiter

Ich habe nachgeschlagen. Die Antwort ist eindeutig: „AK 28300“ – vorausgesetzt, die Bücher-Kategorisierung erfolgt nach der Regensburger Verbundklassifikation.

Für die Ordnung in Bibliotheksregalen sind zumeist unübersichtliche Regelwerke verantwortlich. Diese ermöglichen, jedes beliebige Buch – ohne es gelesen zu haben – einem Fachgebiet zuzuordnen. Gemeint sind konkrete Fächer, die mit einer Buchstaben- und Zahlen-Kombination ausgewiesen sind. In diesen dürfen unsere NutzerInnen auch andere Titel zum gleichen Thema erwarten.

Mit Klassifikationssystemen unterteilen wir das gesamte menschliche Wissen in eine Vielzahl von hierarchisch gegliederte Schubladen. Diese Systematiken reduzieren alle bisher gewonnenen Erkenntnisse auf eine einzige Dimension (von A bis Z), die wir bequem in unsere Regale falten. Dadurch entsteht eine tatsächliche, räumliche Distanz zwischen den Publikationen unterschiedlicher Disziplinen. Das schützt vor der frustrierenden Erfahrung, sich bei jedem zweiten Griff ins Regal ein neues domänenspezifisches Vokabular aneignen zu müssen, um den Klappentext deuten zu können.

Nun kommt es aber vor, dass ein Buch inhaltlich in mehrere Schubladen passt, weil AutorInnen sich nicht um vorgefasste Notationsgruppen kümmern. In dem Fall stellen wir es dort hin, wo mehr Platz ist. Wer sich bei seiner Recherche also darauf verlässt, alle Antworten an einer Stelle gebündelt vorzufinden, geht mitunter leer aus.

Mit dieser forcierten Parabel will ich nicht sagen, dass es ein Fehler wäre, sich auf das eigene Kompetenzfeld zu beschränken, um sein Wissen zu vertiefen. Immerhin hat sich das Konzept „Arbeitsteilung“ im Laufe der Menschheitsgeschichte durchaus bewährt. Spezialisierung erlaubt uns, Ziele effizienter zu erreichen und Techniken zu perfektionieren.

Man sollte sich aber vergegenwärtigen, dass Notationssysteme mit klar abgegrenzten Fachwissenschaften – obwohl sie unbedingt nützlich und notwendig sind – nicht die Zusammenhänge der Realität widerspiegeln. Wer aufrichtige Forschung betreibt, muss ganz selbstverständlich immer auch die Grenzen der eigenen Methoden und Perspektiven hinterfragen und bereit sein, sie zu überschreiten.