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Expert Talks: Nachhaltigkeitsmanagement mit Erfolg

Die Interviewserie rund um Nachhaltigkeit, Management, Digitalisierung und Innovation

Im Interview: Nachhaltigkeitsexperte Stefan Merl
Copyright: PwC

In dieser Talkreihe geben Expert*innen spannende Insights in erfolgreiches Nachhaltigkeitsmanagement.

Stefan Merl im Interview

„Es ist davon auszugehen, dass im Jahr 2025, über welches alle großen Unternehmen einen ersten Nachhaltigkeitsbericht zu veröffentlichen haben, händeringend nach Spezialist*innen und Talenten im Nachhaltigkeitsbereich gesucht werden wird, dies aber mit hoher Wahrscheinlichkeit mit wenig Erfolg, da der Kampf um Mitarbeiter*innen mit Erfahrung bereits jetzt in vollem Gange ist.“

Der Nachhaltigkeitsexperte Stefan Merl ist als Director Sustainability Services bei PwC tätig. Im Interview spricht er über den Beitrag, den die Digitalisierung zur Nachhaltigkeit leisten kann, welche Anforderungen die Corporate-Sustainability-Reporting-Richtlinie (CSRD) der EU für Unternehmen mit sich bringt und wie Betriebe ihre Zirkularitätsrate steigern können.

Als Teil des Sustainability-Teams von PwC Österreich begleiten Sie Unternehmen auf dem Weg in eine nachhaltigere Zukunft - von Strategieentwicklung bis hin zu ESG-Management. Welchen Beitrag kann die Digitalisierung im Zuge der Maßnahmenumsetzung leisten?

Die Digitalisierung kann einen erheblichen Beitrag zur Nachhaltigkeit und vor allem zur Maßnahmenumsetzung in Unternehmen leisten, bspw. bei der Optimierung des Ressourceneinsatzes oder auch bei der Verbesserung bzw. Automatisierung bestimmter (Produktions-)Prozesse. Auch bei der übergeordneten Planung von Maßnahmen und der kontinuierlichen Umsetzung und Wirksamkeitsüberprüfung kann die Digitalisierung eine zentrale Rolle in der Effizienzsteigerung spielen.

Wenn ein Transformationsprozess hin zu mehr Nachhaltigkeit in einem Unternehmen gestartet wird (und Unternehmen werden diesen Prozess früher oder später allesamt starten müssen), ist eine enge Verzahnung von digitalen Technologien und den priorisierten Nachhaltigkeitsaktivitäten sinnvoll, um dies bestmöglich in die etablierten Unternehmensprozesse zu verankern. So kann dies neben ökologischen oder sozialen Vorteilen vor allem aber auch ökonomische Vorteile für ein Unternehmen bringen, was gleichzeitig ein elementarer Aspekt von Nachhaltigkeit an sich ist: Nicht nur die Umwelt und der Mensch profitieren davon, durch einen zielgerichteten Ressourceneinsatz, energieeffiziente Prozesse und Produktionen sowie die Vermeidung von Abfallprodukten kann auch das Unternehmen einen bedeutenden wirtschaftlichen Vorteil daraus ziehen.

Welche Qualifikationen müssen Berufseinsteiger*innen mitbringen, um in „Green Jobs“ tätig zu sein? Welche Karrieremöglichkeiten ergeben sich daraus?

Es gibt nicht das eine bestimmte Profil, das für einen Green Job erfüllt werden muss, da Nachhaltigkeit eine Querschnittsmaterie ist und ungemein viele Facetten hat und in alle Unternehmensbereiche reinspielt. Daher arbeiten im Team bei PwC auch Menschen mit den unterschiedlichsten Qualifikationen und Bildungshintergründen: Physiker*innen, Chemiker*innen, Techniker*innen, Umweltmanager*innen, Betriebs*wirtinnen, Informatiker*innen, Ingenieur*innen sowie Expert*innen für Rechnungslegung, für Reporting, für Strategieentwicklung, für Management und Steuerung, für Kreislaufwirtschaft etc.

Was all diese Menschen aber gemeinsam haben, ist die Begeisterung für das Thema und die Überzeugung, dass eine Transformation hin zu mehr Nachhaltigkeit entscheidend für uns und die nachfolgenden Generationen sein wird. Was neben einer passenden Ausbildung daher vor allem mitgebracht werden muss, ist Begeisterung für das Thema, die Fähigkeit, Zusammenhänge zu verstehen und das Big Picture zu überblicken, analytisch zu arbeiten und sich in die Herausforderungen und die Position von Unternehmen im Kontext der Nachhaltigkeit hineinzuversetzen.

Stichwort „ESG Management“: Mit der Corporate-Sustainability-Reporting-Richtlinie (CSRD) der EU wird Nachhaltigkeitsberichterstattung über die Jahre 2024 bzw. 2025 für rund 2.000 österreichische Unternehmen zur Pflicht. Wie gut sind die heimischen Betriebe darauf vorbereitet? An welchen Stellen hakt es noch?

Es gibt viele Unternehmen, die sich bereits intensiv mit den Berichtspflichten auseinandersetzen und dabei erkennen, dass es nicht damit getan ist, einmal im Jahr einen Bericht zu veröffentlichen, sondern dass es eine konsequente Planung, entsprechende strategische Überlegungen, Ziele und Maßnahmen sowie eine proaktive Steuerung und ein laufendes Monitoring benötigt, um den Anforderungen der Regulatorik Genüge zu tun.

Es gibt aber eben auch Unternehmen, die den Umfang der gesetzlichen Anforderungen noch nicht überblicken, daher noch nicht mit der Umsetzung begonnen haben und dabei gleichzeitig den Umfang massiv unterschätzen. Zudem haben einige Unternehmen den Prozess der Bewusstseinswerdung, dass es nicht mehr nur Marketing, sondern harte Zahlen und Fakten sind, die berichtet werden müssen, noch nicht abgeschlossen; auch da wird es noch einige Aha-Erlebnisse geben.

Es ist daher auch davon auszugehen, dass im Jahr 2025, über welches alle großen Unternehmen einen ersten Nachhaltigkeitsbericht zu veröffentlichen haben, händeringend nach Spezialist*innen und Talenten im Nachhaltigkeitsbereich gesucht werden wird, dies aber mit hoher Wahrscheinlichkeit mit wenig Erfolg, da der Kampf um Mitarbeiter*innen mit Erfahrung bereits jetzt in vollem Gange ist. Ich würde daher allen Unternehmen, die sich bisher noch nicht mit der CSRD und der weiteren Regulatorik im Nachhaltigkeitsbericht beschäftigt haben, dringend empfehlen, sich ehestmöglich damit auseinanderzusetzen, damit sie die Tragweite verstehen.

Was sind die wichtigsten Bausteine für Unternehmen in der Transformation zu einer Kreislaufwirtschaft?

Kreislaufwirtschaft ist ein zentraler Aspekt zur Erreichung der Klimaziele gemäß dem Paris Agreement und in diesem Zusammenhang gibt es bereits viele vielversprechende Ansätze über unterschiedliche Sektoren hinweg, wie die Zirkularitätsrate gesteigert werden kann.

Unternehmen können in einem ersten Schritt damit starten, sich um mehr Nachhaltigkeit in ihrer Beschaffung zu kümmern, indem sie Nachhaltigkeitskriterien festlegen, die für den Einkauf bindend sind. Wenn die Beschaffungsseite entsprechend aufgestellt ist, können sich Unternehmen in einem nächsten Schritt darum kümmern, effiziente und zirkuläre Prozesse im Unternehmen selbst zu implementieren, wofür natürlich die Beschaffungsseite bereits nachhaltig aufgestellt sein sollte. In einem dritten Schritt kann der Fokus auf zirkuläre Produkte und ein zirkuläres Geschäftsmodell gelegt werden, sodass auch alles, was das Unternehmen als Produkt verlässt und wie das Geschäftsmodell aufgestellt ist, auf Zirkularität bzw. Kreislaufführung ausgelegt ist.

Wichtig ist hier zu verstehen, dass Kreislaufwirtschaft erst in letzter Konsequenz ein Abfallthema ist, es muss grundsätzlich in allen Lebenszyklusphasen eines (Roh-)Stoffes oder Produktes, d.h. bereits auch bei der Rohstoffgewinnung bis hin zur Verwendung und Entsorgung angesetzt werden, um eine Kreislaufwirtschaft zu ermöglichen. Zudem ist es in diesem Kontext, wie auch bei Nachhaltigkeit allgemein, wichtig, dass es nicht nur als Aufwand verstanden und mit Kosten in Verbindung gebracht wird, sondern dass auch die ökonomische sowie ökologische Bedeutung bewusst gemacht wird.

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