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Nachruf auf Gerhard Turcsanyi

Vergangene Woche ist der österreichische Mediaplanungs-Guru Gerhard Turcsanyi im 81. Lebensjahr verstorben

Gerhard Turcsanyi an der FH St. Pölten umringt von seinen Student*innen
Copyright: FH St. Pölten

Sein berufliches Motto lässt sich mit „Zählen ist besser als Würfeln“ kaum treffender zusammenfassen. Gerhard Turcsanyi hat v.a. die Media-Detailplanung als streng empirisches Herangehen betrachtet. Das relativ nüchterne Zitat sagt auch, dass sich Gerhard Turcsanyi der Stärken und Schwächen von Marktforschung bewusst war. „Zählen“ ist meistens besser als „würfeln“… aber auch nicht mehr.

Sein zentrales Werk besteht in der „Übersetzung“ bzw. Bekanntmachung v.a. amerikanischer Studien für den deutsch-sprachigen Markt. Gerhard Turcsanyi hat Klassiker wie die Theorien von Ephron und Jones nach Österreich gebracht und die heimische Mediaplanung damit auf ein vollkommen neues Fundament gestellt. Dafür kann man ihm als Mediaplaner bzw. Mediaplanerin nicht genug danken.

Einzigartig war auch seine Fähigkeit, kommunikationswissenschaftliche Theorien auf neue Art und Weise zu denken bzw. anzuwenden. Gerhard Turcsanyi hat sich als Praktiker, als der er sich verstand, intensiv mit dem Uses-and-gratifications-Ansatz als auch den Mood-Theorie-Ansätzen beschäftigt und der Mediaplanung übergestülpt.

Von Beginn weg hat Gerhard Turcsanyi Vorträge, Seminare, Workshops und Lehrveranstaltung gehalten. Auch unserem Haus – der Fachhochschule St. Pölten – war Gerhard über viele Jahre eng verbunden. Er war Mitglied des Entwicklungsteams von Studiengängen wie „Media- und Kommunikationsberatung“ (nun Marketing & Kommunikation) und „Medienmanagement“ und hat sich mit aller Kraft, lautstark und mit Ausdauer in die Entwicklung der Curricula eingebracht. Bis 2015 war er auch als nebenberuflicher Lektor aktiv. Mit seinem Wirken hat Gerhard Turcsanyi mehrere Generationen an Mediaplaner*innen bzw. Mediaforscher*innen beeinflusst, inspiriert, irritiert, in ihrem Denken erschüttert und bereichert. Wir hatten die Ehre und die Freude, die theoretischen Ansätze von Gerhard Turcsanyi und seinem kongenialen Diskussionspartner und Freund Robert Schützendorf vor mittlerweile 7 Jahren in einem Buch zusammenzufassen.

Die Verdienste von Gerhard Turcsanyi um die Mediaplanung und -forschung sollen aber nicht vom Menschen Gerhard Turcsanyi ablenken. Gerhard war ein hilfsbereiter Mensch, der nicht nur sein umfangreiches Wissen ohne Vorbehalte geteilt hat. Er hat jede Möglichkeit zur Diskussion mit Interessierten und Gleichgesinnten genutzt. Hierarchien, Positionen und Titel auf Visitenkarten waren ihm dabei vollkommen egal. Gerade junge Menschen hat er ermutigt, Dinge zu hinterfragen und kritisch zu denken. Begriffe wie Handschlagqualität waren für ihn keine leere Floskel sondern Teil dessen, was ihn ausgemacht hat. Gerhard Turcsanyi wird auf vielerlei Arten fehlen: vor allem aber als Mahner gegen alles und Alle, die nicht evidenz-basiert argumentieren. Bleib uns gewogen, lieber Freund!

Von Johanna Grüblbauer & Helmut Kammerzelt, 30.06.2020