Emissionen und Diversität gleichgewichtet zur Finanzberichterstattung

Master-Studiengang Digital Business Communications

Porträt Gerald Reidinger

    Gerald Reidinger im Gespräch mit Nikolas Kiener und Florian Maier, Studierende im Master-Studiengang Digital Business Communications.

    Im Interview: Experte Gerald Reidinger

    Herr Reidinger, Sie sind nun seit mehr als zehn Jahren bei der EVN tätig. Sie leiten die Abteilungen Controlling und Investor Relations, die bei der EVN auch organisatorisch zusammengehören. Warum hat sich die EVN für diesen doch seltenen Weg entschieden?

    Das ist in der Tat eine Kombination, die man nicht ganz so häufig in anderen Unternehmen sieht. Da wir im Controlling das interne Reporting und im Investor Relations das externe Reporting erstellen, ergeben sich innerhalb der Abteilung sehr viele Synergien. Die Kommunikationswege sind kürzer. Im Controlling ist bei uns auch die Konsolidierung angesiedelt. Das macht es für die Kolleg*innen aus dem Investor Relations einfach, schnell und gesichert an Informationen zu kommen. 

    In den letzten zehn Jahren hat sich in Investor Relations und Reporting viel verändert – die Regulatorik, Digitalisierung, Nachhaltigkeit und nicht zuletzt die Pandemie, die de facto alle Bereiche prägte. Wie hat sich die Investor Relations-Arbeit bei der EVN seit Ihrem Eintritt gewandelt?

    In den letzten Jahren haben sich die Anforderung an die nichtfinanzielle Berichterstattung deutlich erhöht, nicht zuletzt auch mit der Taxonomie-Verordnung. Wir merken, dass sich Investor*innen verstärkt für Nachhaltigkeitsthemen interessieren. Das Geschäftsmodell wird nicht nur von der wirtschaftlichen Seite beleuchtet, sondern auch im Hinblick auf die Nachhaltigkeit. In früheren Jahren kamen vereinzelt Fragen in Investorenmeetings zu Emissionen oder zur Diversität im Unternehmen, heute stehen diese Themen in Gesprächen mit Investor*innen gleichgewichtet zur Finanzberichterstattung.

    Eine andersgeartete Veränderung hat in der Art der verwendeten Kommunikationskanäle stattgefunden. Durch die Corona-Pandemie wurde die Forcierung digitaler Kanäle beschleunigt und Investor*innengespräche finden mittlerweile oftmals auf diesem Weg statt. Der Digitalisierungsschub bringt Vorteile durch die Reduktion von Reisezeiten. Nichtsdestotrotz sind auch persönliche Meetings von Bedeutung, denn es muss eine gesunde Mischung sein.

    Der dritte Aspekt der Veränderung betrifft die Zusammenarbeit innerhalb des Unternehmens. Die stärkere Nutzung digitaler Kanäle steigert die Effizienz von Abläufen und Prozessen.

    Nachhaltigkeit ist nicht nur ein Reporting-Thema, sondern mittlerweile zu einem wichtigen Investmentkriterium am Kapitalmarkt geworden. Wie spüren Sie es als Unternehmen, insbesondere die Investor Relations-Abteilung? 

    Die Nachhaltigkeit nimmt einen wesentlichen Raum in unserer IR-Kommunikation sowie in unseren Gesprächen mit den Investor*innen ein. Außerdem haben sich in den letzten fünf Jahren vielen Nachhaltigkeits-Ratings etabliert. Die neu entstandenen Rating-Agenturen setzen unterschiedliche Schwerpunkte in ihren Bewertungen. Wir versuchen, so viele wie möglich zu bedienen. Das bringt zusätzliche zeitliche und fachliche Anforderungen für die IR-Abteilung mit sich.  Auch in den Finanz-Ratings – die EVN wird von Moody’s und Scope geratet – wird das Thema Nachhaltigkeit immer stärker berücksichtigt.

    Sustainability Reporting ist ein wichtiger Bestandteil erfolgreicher Unternehmenskommunikation. Die EVN sagt, Nachhaltigkeit ist sogar ein Grundpfeiler der Unternehmenskultur. Welchen Weg beschreitet die EVN, um dies auch ihren Stakeholdern zu vermitteln? Seit wann hat die EVN z. B. einen Nachhaltigkeitsbericht? Kam dieser erst durch die gesetzliche Forderung durch NaDiVeG (Anm. Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungsgesetz) oder bereits vorher?

    Die EVN hat bereits ab 1990 regelmäßig Umweltberichte erstellt; später dann inhaltlich umfassendere Nachhaltigkeitsberichte. Mit dem Geschäftsjahr 2010/11 wurde dann die finanzielle und die nicht-finanzielle Berichterstattung in einem integrierten Geschäftsbericht vereint. Wir haben also schon deutlich vor dem NaDiVeG über diese Inhalte berichtet. Die Einführung des NaDiVeG bedeutete inhaltlich keine Erweiterung unserer Berichterstattung, aber die Berücksichtigung im Lagebericht war neu.  

    Der nächste Schritt ist die Taxonomie-Verordnung. Die EVN ist mit dieser bereits in Kraft getretenen Verordnung dazu verpflichtet, die Taxonomie relevanter Tätigkeiten zu kommunizieren. Das ist unser laufendes Projekt. Wir werden für das Geschäftsjahr 2021/22 erstmals diesbezüglich berichten.

    Die EVN hat einen Ganzheitsbericht. Von diesem macht der nichtfinanzielle Bericht mit 125 Seiten knapp die Hälfte aus. Dieser Teil ist auch allen anderen Teilen vorgelagert. Wie groß wäre der Schritt zu einem integrierten Bericht? Dieser soll durch die CSRD eine Renaissance erleben. Wie zukunftsträchtig ist Ihrer Meinung nach der Integrated Report – in der EVN und allgemein?

    Der Umfang der Geschäftsberichte könnte schon noch stärker anwachsen. Es kommen sowohl im Nachhaltigkeitsbereich als auch bei den finanziellen Themen nach IFRS immer wieder neue Berichtsanforderungen auf uns zu.  Es stellt sich damit die Herausforderung, den Bericht trotzdem noch lesbar zu halten. Eine Möglichkeit ist die übersichtliche Kapitelgestaltung und damit die schnelle Auffindbarkeit von Themen. Hier ist die Aufbereitung eines klar strukturierten elektronischen Berichts (z.B. in pdf-Format) hilfreich, da er nach Schlagworten strukturiert durchsucht werden kann. Eine weitere ist die – nach Maßgabe der gesetzlichen Vorgaben – „Auslagerung“ von weiterführenden Informationen auf die Website.

    Durch die CSRD wird die Nachhaltigkeitsberichterstattung nochmal umfassender und anspruchsvoller. Mit welchen Herausforderungen rechnen Sie durch die Umstellung von NFI-Richtlinie auf die CSRD?

    Grundsätzlich ist es zu begrüßen, wenn die Anforderungen in der Berichterstattung vereinheitlicht werden, wenn für die Unternehmen klar ist, was zu berichten ist und was die Investor*innen erwarten.  Aber gleichzeitig bedeuten erweiterte Berichtsanforderungen für die Unternehmen einen höheren Dokumentationsaufwand, da die Maßstäbe der finanziellen Berichterstattung auf die Nachhaltigkeitsthemen ausgeweitet werden.

    Springen wir nun zu einem etwas anderen Themengebiet: Soziale Medien. Wir haben in den letzten Jahren gemerkt, dass soziale Medien die Kommunikation revolutioniert haben und mittlerweile oft auch als Kommunikationswerkzeug in der Unternehmenskommunikation genutzt werden. Welchen Nutzen würden Sie sich von Social Media in der IR versprechen? Wie stehen Sie zu dem Thema Social Media als IR-Tool zur Veröffentlichung finanzieller Daten?

    Die EVN kann sich sehr gut vorstellen, Social-Media-Kanäle zu benutzen; wir nutzen ja solche Kanäle bereits für interessante Unternehmensinformationen. Die börsenrechtlichen Informationskanäle werden in der Finanzberichterstattung aber nicht ersetzt werden können, da es diesbezügliche börsenrechtliche Vorschriften gibt. Als Ergänzung sind aber Social-Media-Kanäle sicher einsetzbar.

    Ein anderes sehr spannendes Thema, welches vor allem während der Corona-Pandemie aufgekommen ist, sind Hauptversammlungen. Diese haben regelrecht einen Digitalisierungsschub bekommen. Wie sehen Sie die Zukunft von Hauptversammlungen in der Zeit nach Corona?

    Es gibt eine Diskussion, wie Hauptversammlungen in Zukunft abgehalten werden sollen. Digital, persönlich oder in hybrider Form. Wir würden uns wünschen, dass die Unternehmen die Wahlfreiheit zwischen diesen Formen haben; je nachdem, welche Form für die jeweilige Aktionärsstruktur und das Unternehmen selbst am besten geeignet ist. Die hybride Variante ist wohl am herausforderndsten zu handhaben. Die Gleichbehandlung von persönlich anwesenden und digital teilnehmenden Aktionär*innen müsste auch im Falle von technischen Problemen gewährleistet werden. Ein Nachteil hybrider Hauptversammlungen sind die höheren Kosten, da die Infrastruktur sowohl für die Präsenzveranstaltung als auch für die digitale Übertragung bereitgestellt werden müssen.

    Könnten Sie uns einen Zukunftsausblick geben? In welche Richtung würde die EVN tendieren?

    Hier möchte ich mich ehrlich gesagt nicht festlegen, da hier abzuwarten ist, wie sich die gesetzlichen Vorgaben entwickeln.

    In der Finanzcommunity wird derzeit viel über die Zukunft des Reportings gesprochen. XBRL ist hier ein wichtiges Schlagwort. Durch die CSRD sollen nicht nur die finanziellen, sondern auch die nichtfinanziellen Informationen digitalisiert werden, also im XBRL-Format publiziert werden. Sehen Sie darin einen Mehrwert?

    Wenn die Daten im XBRL-Format vorliegen, können diese einfacher von Analyst*innen oder privaten Investor*innen verarbeitet werden. Die EVN richtet sich nach den gesetzlichen Vorgaben und hat zuletzt wie vorgeschrieben die Primaries (Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung, Cash Flow-Rechnung) im XBRL-Format abgeliefert. Das Feedback der Leserschaft hat sich in Grenzen gehalten. Ich denke, dass sich das Thema noch entwickeln wird. 

    Als angehende Investor Relations Manager liegt uns Studierenden eine Frage auf der Zunge. Welche Fähigkeiten sollte man Ihrer Meinung nach mitbringen, um die Tätigkeit eines IR-Managers / einer IR-Managerin erfolgreich ausüben zu können?

    Das Wichtigste ist, Interesse am Unternehmen zu haben. Als angehender IR-Manager bzw. angehende IR-Managerin sollte man sich für ein Unternehmen entscheiden, mit dem man sich identifizieren kann, da ein IR-Manager bzw. IR-Managerin das Unternehmen nach außen repräsentiert. Wenn das Interesse aufgesetzt wirkt, dann wird das nicht funktionieren.

    Fachlich ist es notwendig, ein gewisses wirtschaftliches und bilanzielles Grundverständnis mitzubringen. Je nach Geschäftstätigkeit des Unternehmens wird es auch notwendig sein, die Produkte und die technischen Abläufe zu verstehen.

    Eine zentrale Aufgabe in der Investor Relations-Arbeit ist es, komplexe Sachverhalte der Bilanzierung, aber auch was die grundsätzliche unternehmerische Tätigkeit betrifft, einfach wiederzugeben, um sie den Investor*innen klar verständlich und nachvollziehbar zu kommunizieren. Aus diesem Grund ist auch sprachliches Geschick erforderlich, und sehr gute Englischkenntnisse sind eine Voraussetzung.

    Vielen Dank für das Interview!

    Sie wollen mehr wissen? Fragen Sie nach!
    FH-Prof. Mag. Kovarova-Simecek Monika

    FH-Prof. Mag. Monika Kovarova-Simecek

    Studiengangsleiterin Digital Business Communications (MA) Stellvertretende Studiengangsleiterin Management und Digital Business (BA) Mitglied des Kollegiums 2023 bis 2026 Department Digital Business und Innovation