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Fellöcker: „Krieg gegen Drogen“ nicht zu gewinnen

arlt.dialog #5. Kurt Fellöcker im Gespräch

FH-Professor Kurt Fellöcker
Copyright: FH St. Pölten

Kurt Fellöcker leitet die Lehrgänge Suchtberatung und Prävention an der Fachhochschule St. Pölten. Mit arlt.dialog sprach er über aktuelle Entwicklungen in der Suchtberatung und die Tagung „Cannabisregulierung – und die Auswirkungen auf die Suchtberatung und Prävention“ am 11. September 2018 an der Fachhochschule St. Pölten.

Am 11. September 2018 findet eine Fachtagung unter dem Motto „Cannabisregulierung und die Auswirkungen auf die Suchtberatung und Prävention“ statt. Wo sehen Sie die Probleme im aktuellen Umgang mit Suchtmittel in Österreich?

Nach wie vor steht der „Krieg gegen Drogen“ im Mittelpunkt der gesellschaftlichen Bemühungen gegen das Suchtproblem in Österreich. Der Löwenanteil der Ausgaben im Bereich illegaler Suchtmittel liegt in der Strafverfolgung, der gerichtlichen Behandlung der „TäterInnen“ und im Strafvollzug. Ein großer Teil der öffentlichen Ausgaben betrifft die v. a. medizinische Behandlung von Folgeerkrankungen. Am Beispiel vieler Länder weltweit wird aber längst klar, dass der „Krieg gegen Drogen“ so nicht zu gewinnen ist. Die negativen Folgen überwiegen bei Weitem. Dazu gehören die Kriminalisierung der oft jugendlichen „TäterInnen“, die Steigerung der Attraktivität von Suchtmitteln durch strenge Verbote, die Verunmöglichung von gezielter Information und Prävention durch die Illegalität und fehlende finanziellen Mittel für Hilfe und Prävention. Im Gegensatz zu anderen Ländern ist die Diskussion zur Regulierung von Cannabiskonsum in Österreich gerade einmal am Anfang. Klar ist, dass eine sinnvolle Cannabisregulierung nur mit begleitenden Maßnahmen im Bereich Suchtberatung und Prävention funktionieren kann. Zum Nachdenken darüber will die Tagung an der Fachhochschule St. Pölten ExpertInnen in diesem Bereich zur Diskussion einladen.

Die FH St. Pölten hat mit dem Lehrgang Suchtberatung und Prävention ein einzigartiges Weiterbildungsangebot im Programm. Worin liegen die Besonderheiten des Lehrgangs?

Die größte Besonderheit des Hochschul- und Masterlehrgangs Suchtberatung und Prävention ist wohl sein Bestehen seit 25 Jahren in unserer schnelllebigen Zeit. Das zeigt aber auch die gute Nachfrage nach unseren AbsolventInnen am Arbeitsmarkt. Neben dem Anspruch nach wissenschaftlich fundierten Lehrinhalten steht sehr zentral die Vermittlung praktischer psycho-sozialer und suchttherapeutischer Kompetenzen. Dies gelingt nur in relativ kleinen Gruppen, sodass unsere maximale Studierendenzahl bei 20 Personen pro Lehrgang liegt. Die Lehrgänge sind berufsbegleitend angelegt und beziehen die aktuelle Tätigkeit der Studierenden in die Wissensvermittlung mit ein. Sie haben das Ziel, unterschiedlichen Berufsgruppen Instrumente für eine Spezialisierung im Suchtbereich in die Hand zu geben. Unsere Studierenden weisen nicht nur einschlägige Erstabschlüsse wie Sozialarbeit, Psychologie, Sozialpädagogik, Pädagogik und Medizin auf. Auch Polizistinnen und Polizisten, UnternehmensberaterInnen und Human Ressource ManagerInnen nehmen am Lehrgang teil. Diese Vielfalt der Zugänge zum Thema macht die Arbeit in den relativ kleinen Gruppen besonders interessant.

In welche Richtung entwickelt sich die Suchtberatung in Zeiten von Alkoholverboten an öffentlichen Plätzen wie dem Wiener Praterstern?

Suchtberatung hat eine begleitende Funktion und kann bestehende soziale Probleme per se nicht lösen. Sie kann jedoch durch die Nähe zu den KlientInnen Problemstellungen aufzeigen und strukturelle Vorschläge zu ihrer Verbesserung einbringen. Ihre Rolle ist daher nicht nur personen-, sondern auch gemeinwesenbezogen. Neben sicherheits- und ordnungspolitischen Interventionen im öffentlichen Raum braucht es verstärkt begleitende sozialarbeiterische Angebote für obdachlose Suchtkranke, wie niederschwellige Tages- und Nachtzentren, die erfahrungsgemäß von den KlientInnen sehr gut angenommen werden. In der Stadt brauchen wir integrierte Konsumräume, im ländlichen Raum einen besserer Zugang zum Spritzentausch. Diese suchtbegleitenden und schadensminimierenden Angebote bieten für die Suchtberatung eine gute Möglichkeit zum Erreichen ihres Klientels. Schließlich sollten speziell im Zusammenhang mit obdachlosen Suchtkranken aus anderen EU-Ländern Modelle grenzüberschreitender, sozialarbeiterischer Zusammenarbeit auf Gemeindeebene angedacht werden. 

Was wäre ihre Botschaft als Experte für Suchtberatung und Prävention an die politisch Verantwortlichen in Österreich?

Im Hinblick auf unsere Tagung wäre das: die Regulierung von Cannabis für den Freizeitgebrauch mit strengen Auflagen (Jugendschutz, Qualitätskontrolle, Werbeverbot etc.), aber auch die Ausweitung der Indikationsmöglichkeiten für Cannabis in der Medizin und Kostenübernahme durch die Kassen (siehe Deutschland). Erfahrungsgemäß wissen PolitikerInnen sehr gut Bescheid über das Problem, es braucht aber sicher Mut, den Schritt von der Repression zur Suchtberatung und Prävention zu machen.