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Future Work Skills: Vorbereiten, aber worauf?

Josef Weißenböck von der FH St. Pölten und Ulf-Daniel Ehlers von der dualen Hochschule Baden-Württemberg im Doppelinterview

Josef Weißenböck und Ulf-Daniel Ehlers
Copyright: FH St. Pölten / Foto Kraus; Susanne Krum

Der Begriff „Future Work Skills“ ist in aller Munde: Was ist damit überhaupt gemeint?

Ulf-Daniel Ehlers: Es wird schon seit den 1980er- Jahren verstärkt diskutiert, ob das Zusammenspiel zwischen dem Lehrangebot von Hochschulen und den aktuellen Jobanforderungen noch stimmt. In der Forschung war die Rede von „gradual attributes“, „key competences“ und „21st century skills“. Heutzutage sprechen wir von Future Work Skills.

Diese Diskussion ist also keine neue, allerdings muss man sagen, dass der Ruf nach Future Work Skills durch die aktuellen gesellschaftlichen Umbrüche in einer digitalisierten Welt immer lauter wird. Es stellt sich die Frage: Wie bereiten wir Menschen auf den zukünftigen Jobmarkt vor, wenn wir nicht wissen, wie genau der aussieht? Wir haben für Future Work Skills 17 verschiedene Profile definiert, die sich auf 3 Bereiche aufteilen: subjektive, objektive und organisations- oder sozialbezogene Kompetenzen. Beispiele sind etwa Selbstmanagement, Agilität in Bezug auf die soziale und organisationale Umwelt und Kooperationsfähigkeit.

Josef Weißenböck: Das althergebrachte Modell von klaren Berufsfeldern, für die wir Curricula designen, wird in den nächsten Jahren wegbrechen. Ich merke bei den aktuellen Curriculums-Entwicklungen an der FH St. Pölten, dass das Thema Future Work Skills bei den wesentlichen Playern sehr präsent ist und vor allem von unseren Kooperationspartnern aus der Wirtschaft stark eingebracht wird. Vor einigen Jahren waren wir hier als hochschuldidaktische Expert*innen noch die treibende Kraft.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Fachkompetenz wird auch weiterhin wichtig sein. Aber der berufliche Erfolg von Absolvent*innen wird immer stärker von Future Work Skills abhängig sein. Nebenbei bemerkt: In unserem Umfeld und in den Branchen, für die die FH St. Pölten ausbildet, werden diese Skills jetzt schon eingefordert. Wir sollten dazu übergehen, von Contemporary Work Skills zu sprechen.

Wird in der Diskussion mit zu vielen Schlagwörtern hantiert? Ist der Hype um Future Work Skills gerechtfertigt?

Ehlers: In der Diskussion um Bildungssysteme gibt es immer Schlagwörter. Die kommen meistens nicht als klar definierte Begriffe daher, sondern sind Leitmarken und Bündel an Konzepten. Das ist beim Thema Future Skills auch so. Bildung bekommt aus verschiedenen Gründen einen immer wichtigeren Stellenwert. Deswegen ist auch die Diskussion darüber, wie Bildung zu konzipieren ist, zentral: Wie können wir möglichst vielen Menschen gesellschaftliche Mitwirkungsmöglichkeiten bieten?

Weißenböck: Zum Hype will ich grundsätzlich bemerken, dass es eine gute wissenschaftliche Praxis ist, jeden Hype kritisch zu hinterfragen. Blickt man hinter die Begriffe, wird klar, dass alle eine ähnliche Stoßrichtung haben. Wir haben vor 3 Jahren einen Tag der Lehre zum Thema Deeper Learning durchgeführt und diesen bewusst mit dem Zusatz „nachhaltiges Lernen“ versehen.

Diesen Ansatz haben wir den gängigen Praxen in der Hochschullehre gegenübergestellt, wo es immer noch üblich ist, Inhalte kurzfristig für Prüfungen auswendig zu lernen. Das ist kritisch zu hinterfragen. Wie kommen wir da zu nachhaltigen Lernmodellen? Wie stärken wir problembasierte Zugänge? Wie stärken wir interkulturelle Kompetenz? Wie bringen wir das alles mit der Digitalisierung zusammen? 

In welchem Verhältnis stehen Deeper Learning bzw. nachhaltiges Lernen und Future Work Skills zueinander?

Weißenböck: Wir haben an der FH das interdisziplinäre Projektsemester iLab entwickelt. Das ist unser Flaggschiff, mit dem wir versuchen, Deeper Learning auch praktisch umzusetzen. Im iLab arbeiten unsere Studierenden gemeinsam mit Incomings aus aller Welt an praktischen und interdisziplinären Problemstellungen. Die Arbeitssprache ist Englisch. 2019 wurde das iLab mit dem „Ars Docendi“-Staatspreis für innovative Lehre ausgezeichnet.

Ehlers: Wir haben eine „Next Skills Initiative“, die sich mit der Veränderung der Hochschullehre auseinandersetzt. Das sind didaktische und strukturelle Veränderungen, die in Richtung Deeper Learning, personalisiertes Lernen, individualisierte Lernpfade und andere innovative Lehr- und Lernmodelle gehen.

Die Coronakrise hat große Umstellungen im Hochschulbereich notwendig gemacht. Wie wird sich unsere Art zu lehren und lernen durch die Krise verändern?

Ehlers: Veränderungen in Richtung Future Skills benötigen eigentlich eine andere Herangehensweise. Bisher wurden an den Hochschulen reflexartig Zusatzinstitutionen geschaffen. Ging es um Schlüsselqualifikationen, haben wir Zentren für Schlüsselqualifikationen ins Leben gerufen. Es ist natürlich nicht schlecht, so etwas zu haben.

Aber zukünftig geht es darum, innerhalb der Curricula Veränderungen vorzunehmen. Das kann nicht von heute auf morgen passieren, hier muss eine Kulturentwicklung stattfinden. Wichtig ist vor allem, eine konkrete Zielvorstellung zu entwickeln, damit man weiß, in welche Richtung es gehen soll.

Weißenböck: Man muss seriöserweise sagen: Das kann niemand wissen. Was aber bereits sichtbar wird, ist ein wichtiger Schub in unserer Digitalisierungsstrategie. Für uns ist die Frage wesentlich, wie wir auch qualitativ in der Fernlehre weiterkommen können.

Denn nach einigen Wochen im Onlinebetrieb kann mitunter auch „der Schmäh ausgehen“ und die frontale Videokonferenz nicht mehr den Ansprüchen der Studierenden genügen. Hier stehen wir in SKILL als Support für die Weiterentwicklung zur Verfügung. Ich denke, für unsere Lernkultur und die digitalen Lernwege bringt die Coronakrise durchaus inspirierende Impulse. 

Josef Weißenböck ist Leiter des FH-Service SKILL (Service- und Kompetenzzentrum für Innovatives Lehren und Lernen) der FH St. Pölten.

Ulf-Daniel Ehlers ist Professor für Bildungsmanagement und Lebenslanges Lernen an
der Dualen Hochschule Baden-Württemberg.

Interview: Jakob Leissing (FH St. Pölten).