Customer Experience Talk mit Monika Koller
Wie Konsumverhalten heute funktioniert und was Marken daraus lernen können
Was erwarten Konsument*innen heute wirklich von Marken? Im Rahmen der Vortragsreihe Customer Experience Talks zeigte Assoz. Prof. PD Dr. Monika Koller, Institutsvorständin Marketing & Consumer Research an der WU Wien, wie tief Konsument*innentscheidungen in emotionalen, sozialen und sensorischen Prozessen verankert sind. Anhand der beiden Forschungsthemen,,Perceived Customer Value“ und ,,Need for Smell“, machte die Expertin deutlich: „Wer Customer Experience gestalten will, muss den Mensch in seiner ganzen Komplexität verstehen.“
Konsum als Spiegel der Gegenwart
In einer Welt, die zunehmend von Unsicherheit, Reizüberflutung und gesellschaftlichem Wandel geprägt ist, übernimmt Konsum neue Funktionen. Monika Koller beschreibt Konsumverhalten heute als eine Art emotionales Navigationssystem. Es hilft, sich zu verorten, Kontrolle zurückzugewinnen oder Zugehörigkeit zu erleben. Während sich manche Konsument*innen in unsicheren Zeiten zurücknehmen, suchen andere gezielt nach Konsumerlebnissen, die ihnen Sinn geben – etwa durch Nachhaltigkeit, Zugehörigkeit oder persönliche Relevanz. Marken sind in diesem Kontext weit mehr als Produktsysteme. Sie können zu emotionalen Bezugspunkten werden – oder verändern ihre Relevanz.
Modell 1: Perceived Customer Value – Der subjektive Wert im Fokus
Mit dem Modell des Perceived Customer Value zeigt Monika Koller, wie vielschichtig Konsum heute bewertet wird. Es geht nicht nur um den Preis oder die Funktion, sondern um eine individuelle, oft situativ wechselnde Wahrnehmung von Nutzen.
Sie bezieht sich der Forschung folgend auf fünf zentrale Wertedimensionen:
- Funktionaler Wert: z.B. Leistung und Qualität
- Ökonomischer Wert: z.B. Preis-Leistungsverhältnis
- Emotionaler Wert: z.B. persönliches Erleben, Freude, Sicherheit
- Sozialer Wert: z.B. Status, Zugehörigkeit, Wirkung nach außen
- Ökologischer Wert: z.B. Nachhaltigkeit, gesellschaftliche Verantwortung
Welche Dimensionen dominieren, hängt von den Produkten und Dienstleistungen, aber auch stark vom Umfeld, der Persönlichkeit und der Lebenslage der Konsument*innen ab. Genau hier wird auch das Konzept des Value-Loyalty-Links relevant. Die Markenbindung entsteht dann, wenn ein Produkt nicht nur funktioniert – sondern als wertvoll empfunden wird. Dieser Wert entsteht im Kopf, im Bauch und manchmal auch im sozialen Umfeld.
Modell 2: Need for Smell – Konsument*innen als “sinnliche“ Wesen
Während digitale Touchpoints den Konsum stark visuell geprägt haben, lenkt die Marketing-Expertin mit ihrem zweiten Modell die Aufmerksamkeit auf einen oft übersehenen, aber hoch emotional wirksamen Sinn: den Geruch. Im Forschungsprojekt „Need for Smell“ analysierte sie mit ihrem Team, wie Konsument*innen – vor allem im stationären Handel – bewusst riechen, um Qualität zu prüfen, Vertrauen aufzubauen oder emotionale Sicherheit zu erleben.
Sie unterscheidet zwei Dimensionen, die über die im Projekt entwickelte ENFAS-Skala (Evaluation of the Need for Active Smell) erfasst werden:
- 1. Kognitive Dimension/Self-Protective: Riechen als Informationsquelle (z. B. Frische, Qualität, Natürlichkeit, sowie evolutionäre bedingte Schutzreaktion, z.B. gesundheitliche Verträglichkeit, instinktive Ablehnung)
- 2. Affektive Dimension: Riechen aus emotionaler Motivation (z. B. Freude, Geborgenheit, Erinnerung)
Besonders auffällig: Frauen zeigten in der Studie ein deutlich aktiveres, affektiv geprägtes Riechverhalten. Das eröffnet Marken neue Spielräume für multisensorisches Erleben – insbesondere im stationären Handel.
Segmentierung neu gedacht: Werte statt Zielgruppen
Beide Forschungsansätze führen zu einer gemeinsamen Erkenntnis: Soziodemografien reichen nicht mehr aus, um Konsumverhalten zu verstehen. Stattdessen sind Segmentierungen, die psychologische Motive, situative Kontexte und sensorische Präferenzen einbeziehen, zukunftsweisend. In diesem Zusammenhang skizzierte Monika Koller basierende auf Ihrer Forschung zu den Themen „Perceived Customer Value“ sowie „Need for Smell“ unterschiedliche Konsumtypen. Für Marken bedeutet es, dass eine erfolgreiche Ansprache nicht beim Alter oder beim Einkommen beginnt – sondern bei der Frage, was Menschen wirklich bewegt.
Fazit: Nähe entsteht durch Verständnis
Der Customer Experience Talk mit Monika Koller war kein Plädoyer für mehr Werbedruck, sondern für mehr Einfühlungsvermögen. Er hat gezeigt: Konsum ist Beziehung – und Customer Experience bedeutet, diese Beziehung achtsam zu gestalten. Ein Vortrag, der wissenschaftlich fundiert und zugleich praxisnah war – und der in Erinnerung bleibt, weil er das tut, worauf es heute ankommt: Er bringt Marken näher an Menschen, denn: Konsument*innen suchen keine Features. Sie suchen Bedeutung.
Die Veranstaltung fand in Kooperation mit DIHOST statt.
Über die Customer Experience Talks
Die Vortragsreihe „Customer Experience Talks“ zeigt neue Wege der digitalen Kommunikation mit Kund*innen. Internationale Expert*innen geben Impulse durch praxisnahe Fallbeispiele und aktuelle Forschung, anschließend gibt es die Möglichkeit für Fragen und Diskussion mit den Vortragenden.
Die Vortragsreihe wird von Helmut Kammerzelt (Leiter Bachelor-Studiengang Marketing & Kommunikation) und Harald Wimmer (Leiter Master-Studiengang Digital Marketing & Kommunikation) umgesetzt.
Weitere Informationen finden Sie auf der Event-Website.
Text von: Jessica Tropiano, Studentin im Bachelor-Studiengang Marketing & Kommunikation