Erste Hilfe Projekt „Kleine Hände, große Helden“

#Gesundheits- und KrankenpflegePLUS (BA) #Studierenden-Projekt

Das Projekt ist darauf ausgerichtet, den Schüler*innen der dritten und vierten Volksschulklasse Erste-Hilfe-Kenntnisse zu vermitteln und die Ergebnisse zu evaluieren.

v.l.n.r.: Helmut Parisch, Lena Richter, Victoria Reinberger, Marianne Rosenbaum, Alina Rothbauer, Simon Resel, Sophie Reiter, Lena Sickinger, Jasmin Götsch, Febin Puthenveetil, Mariella Rogic, Julia Rechbauer, Johanna Kuntner, Maximilian Parisch

Einleitung

Im Zuge der Lehrveranstaltung „BAO03 – Projektmanagement“ führten 11 Studierende des Bachelor-Studiengangs Gesundheits- und KrankenpflegePLUS der FH St. Pölten einen Erste-Hilfe Workshop für Kinder der dritten und vierten Volksschulklasse durch. Die Relevanz für die Durchführung des Projekts begründet sich darin, dass Erste Hilfe eine Fertigkeit ist, die nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder beherrschen sollten. In einer Welt, in der Unfälle und Notfälle unvermeidbar sind, ist es entscheidend, dass junge Menschen über Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen, um in kritischen Momenten Leben zu retten und Verletzungen zu minimieren. Banfai et. al. (2017) empfehlen den Beginn der Erste Hilfe-Ausbildung bereits in den ersten Grundschuljahren. Die Edukation von Erste-Hilfe Maßnahmen im Kindesalter wird annähernd mit dem Erlernen von Radfahren oder Schwimmen gleichgesetzt. Einmal in jungen Jahren gefestigtes Wissen und jährliche Auffrischungen besitzen einen nachhaltigen Effekt in der Anwendung und Durchführung.

Workshop mit Stationenbetrieb

Mit diesem theoretischen Hintergrund wurde von den Studierenden ein Workshop geplant, der sich aus einem Stationsbetrieb zusammensetzte und die vier Themenbereiche Notruf, Blutstillung, Bewusstlosigkeit und kardiopulmonale Reanimation beinhaltete. Jede Station wurde während dem Training von mindestens 2 Student*innen betreut. Nach dem Vorzeigen der Ersten-Hilfe-Maßnahmen hatte jedes Kind die Möglichkeit, praktisch zu üben. Für das Training wurden auch Simulatoren wie z.B. eine Reanimationspuppe und ein halbautomatischer Defibrillator eingesetzt. Eine Lehreinheit betrug 50 Minuten pro Klasse, pro Station standen rund 12 Minuten zur Verfügung. Insgesamt wurden 57 Schüler*innen geschult.

Zielsetzung

Das primäre Ziel des Workshops war darauf ausgerichtet, den Volksschulkindern die ersten grundlegenden Aspekte der Ersten Hilfe zu vermitteln, um zum „helfenden Handeln“ motiviert zu werden und Notfallkompetenzen zu entwickeln. Da es sich um ein Pilotprojekt handelt und keine Daten zur Effektivität der Intervention vorliegen, wurde auch die Wirksamkeit des Trainings evaluiert.

Methodik

In einem Single-Group-Pretest-Posttest-Design wurde in der vorliegenden Studie das Erste Hilfe-Vorwissen der Proband*innen anhand eines quantitativen Fragebogens erhoben und dem Testergebnis nach der Workshopteilnahme gegenübergestellt. 
Für die Erstellung des Erhebungsinstrumentes wurde der Helfi-Fragenkatalog und ein Kinderquiz zum Thema Erste Hilfe (Geolino) herangezogen. Die Auswahl der Fragen richtete sich hierbei auf jene Wissensgebiete, deren Inhalt die gewählten Stationen im Workshop (Notruf, starke Blutung, Bewusstlosigkeit und kardiopulmonale Reanimation) repräsentieren. Das Erhebungsinstrument besteht aus sieben Wissensfragen, davon sind sechs im Single- und eine im Multiple-Choice Design gestaltet. Die Anzahl der korrekten Antworten wurde nach jeder Frage in Klammer ausgewiesen, insgesamt konnten acht Punkte erreicht werden (siehe Anhang).

Die Beurteilungskriterien stellen sich folgendermaßen dar:

• Die Antwort(en) einer Frage sind korrekt angekreuzt: volle Punktezahl
• Es werden mehr Antworten angekreuzt, als möglich sind: 0 Punkte
• Eine Antwort richtig/eine Antwort falsch: 1 Punkt (nur für Multiple-Choice gültig)
Um den Fragebogen für den praktischen Einsatz zu testen, wurde ein Pretest mit einem gleichaltrigen Volksschulkind, das nicht der Proband*innengruppe angehört, durchgeführt. Das Erhebungsinstrument wurde ca. eine Woche vor dem Workshop durch die Klassenlehrer*innen der Volksschule in Papierform an die Schüler*innen ausgegeben, der idente Posttest wurde ca. eine Woche nach der Intervention durchgeführt.
Die Datenschutzerklärung wurde im Rahmen der Einverständniserklärung für den Prä/Posttest den Eltern/Erziehungsberechtigten übermittelt. Die Auswertung erfolgte anonym und DSG-konform.
Die Datenauswertung erfolge mittels IBM SPSS Statistics der Version 29.

Ergebnisse

Es wurden insgesamt 102 ausgefüllte Fragebögen retourniert, das entspricht einer Rücklaufquote von 89.5 %. Da es sich um verbundene Stichproben handelt, beträgt die Stichprobengröße n=51.

Darstellung der erreichten Gesamtpunkteanzahl:

Bei einer maximal erreichbaren Anzahl von 8 Punkten beträgt das arithmetische Mittel bei der Prätestung (PRÄ_GES) 4.84 Punkte (Mdn= 5, Std.-Abweichung= 1.502). Bei der Posttestung (POST_GES) zeigt sich ein Punktezuwachs von durchschnittlich 21.1% mit einem arithmetischen Mittel von 6.53 Punkten (Mdn=7, Std.-Abweichung 1.419). In Abbildung 1 ist die Verteilung der Daten zu beiden Messzeitpunkten dargestellt.

Abbildung 1: SPSS-Output, Darstellung der Testergebnisse vor und nach dem Workshop, n= 51

Bild_Helmut1.png

Der Gruppenvergleichstest zeigt, dass die erreichten Punkte nach der Teilnahme am Workshop signifikant höher sind (Mdn= 7) als davor (Mdn= 5; asymptotischer WilcoxonVorzeichen-Rangtest: p= <0.001, Z= -4.858, n=51). Die Effektstärke liegt bei R2= 0.4627 und entspricht nach Cohen (1988) einem starken Effekt (R2GES= (-4,858)2/51= 0.4627).

Auswertung nach Themenschwerpunkten:

In der Kategorie Notruf wurde beim Prätest im Vergleich zu den anderen Kategorien der höchste Punktewert erzielt (Ø 1.78 Punkte von 2 Punkten, entspricht 89%, siehe Abbildung 2). Bei der Post-Testung liegt der durchschnittliche Punktewert mit 86.5% unterhalb des gemessenen Prä-Wertes, das ergibt ein Minus von 2.5% (Ø 1.73 Punkte von 2 Punkten). Zudem zeigt sich bei der Posttestung eine größere Standardabweichung als bei der ersten Messung (Prä: 0.415 vs. Post: 0.532). Der Gruppenvergleichstest ist statistisch nicht signifikant, das bedeutet, dass es zwischen den Gruppen keinen Unterschied in Bezug auf die erreichte Punkteanzahl vor und nach der Intervention gibt (n= 51, p= 0.467, Z= -0.728, asymptotischer Wilkoxon-Vorzeichen-Rangtest).

Abbildung 2: SPSS-Output, Verbundliniendiagramm Kategorie Notruf, n=51

Bild_Helmut2.png

In der Kategorie Bewusstsein konnten 3 Punkte erreicht werden. Beim Prätest beträgt das arithmetische Mittel 1.86 (62%). In der Posttestung konnte ein Anstieg auf durchschnittlich 2.33 Punkte verzeichnet werden, das ergibt einen relativen Zuwachs von 0.47 Punkten (15.66%), siehe Abbildung 3. Der Gruppenvergleichstest zeigt zudem, dass die Punkteanzahl nach der Teilnahme am Workshop signifikant höher ist als davor (n= 51, p= 0.008, Z= -2.670, asymptotischer Wilkoxon-Vorzeichen-Rangtest). Die Effektstärke liegt bei R2= 0.1397 und entspricht nach Cohen (1988) einem mittleren Effekt.

Abbildung 3: SPSS-Output, Verbundliniendiagramm Kategorie Bewusstsein, n= 51

Bild_Helmut3.png

In der Kategorie Blutstillung konnte insgesamt ein Punkt erreicht werden. Wie in Abbildung 4 dargestellt liegt das arithmetische Mittel bei der Prätestung bei 0.53 (53%), bei der Posttestung bei 0.88 (88%), das ergibt einen relativen Punktezuwachs von 35%. Durch die Teilnahme am Workshop konnte ein statistisch signifikanter höherer Punktewert erzielt werden als davor (n= 51, p= <.001, Z= -3.838, asymptotischer Wilkoxon-Vorzeichen-Rangtest).
Die Effektstärke liegt bei R2= 0.2888 und entspricht nach Cohen (1988) einem starken Effekt.

Abbildung 4: SPSS-Output, Verbundliniendiagramm Kategorie Blutstillung, n= 51

Bild_Helmut4.png

In der Kategorie kardiopulmonale Reanimation (Abbildung 5) war das Vorwissen mit durchschnittlich 0.67 von 2 Punkten (33.5%) am geringsten. Der Punktezuwachs bei der Posttestung ist hingegen im Vergleich zu den anderen Kategorien mit durchschnittlich 0.92 (46%) Punkten am höchsten. Der Gruppenvergleichstest zeigt auch einen statistisch signifikanten Unterschied zwischen der Prä- und Posttestung. (n= 51, p= <0.001, Z= -5.425, asymptotischer Wilkoxon-Vorzeichen-Rangtest). Die Effektstärke liegt bei R2= 0.5770 und entspricht nach Cohen (1988) einem starken Effekt.

Abbildung 5: SPSS-Output, Verbundliniendiagramm Kategorie Blutstillung, n= 51

Bild_Helmut5.png

Nominale Auswertung:

Die Bestehensgrenze wurde mit >50% festgelegt. Beim Prätest hatten 33 Personen (64.7%) ein positives Testergebnis, beim Posttest waren es 47 Personen (92.2%). Die Testergebnisse sind in der Abbildung 6 dargestellt.

Abbildung 6: SPSS-Output, Balkendiagramm, n=51

Bild_Helmut6.png

Aus den Testergebnissen lässt sich folgende Kreuztabelle ableiten (Abbildung 7).

Abbildung 7: Kreuztabelle, eigene Darstellung

 

Ergebnis

 

positiv

 

negativ

Gesamt

Workshop- teilnahme

ja

47

 

4

51

nein

33

 

18

51

Gesamt

80

 

22

102

Die Teilnahme am Workshop steht in einem Zusammenhang mit dem erreichten Ergebnis (ChiQuadrat= 11.359, p= <0.001, Exakter Test nach Fisher p= 0.001).
Die Berechnung des Odds-Ratio ergibt 6.409 (CI 95%, 1,99-20,68). Daraus kann geschlussfolgert werden, dass die Chance, einen positiven Test zu erreichen, durch die Workshopteilnahme um das 6.4-fache höher ist als ohne Teilnahme.

Schlussfolgerungen

Der Workshop hat sich insgesamt als effektive Schulungsmaßnahme zur Erweiterung von Notfallkompetenzen für die gewählte Zielgruppe erwiesen.
Die Station kardiopulmonale Reanimation verzeichnete bei geringstem Vorwissen den höchsten Punktezuwachs im Vergleich zu den anderen Wissensgebieten. Bei der Reanimationsübung kamen im Vergleich zu den anderen Stationen mehrere technische Simulatoren (Reanimationspuppe, halbautomatischer Defibrillator) zum Einsatz. Es könnte sein, dass die Verwendung der Medien eine positive Wirkung auf den Lernerfolg hatte und/oder das Interesse der Schüler*innen bei diesem Thema größer war.
In der Kategorie Notruf war das höchste Vorwissen im Vergleich zu den anderen Themenschwerpunkten vorhanden, dennoch gelang es nicht, wie bei allen anderen Stationen einen Wissenszuwachs zu erreichen. Eine Überprüfung der gewählten Didaktik und eine Evaluierung der Wissensfragen im Hinblick auf Verständlichkeit sollte in dieser Kategorie vor einer Workshopwiederholung durchgeführt werden.

Literatur:

Banfai, B., Pek, E., Pandur, A., Csonka, H., & Betlehem, J. (2017). ‘The year of first aid’:
Effectiveness of a 3-day first aid programme for 7-14-year-old primary school children.
Emergency Medicine Journal, 34(8), 526–532. https://doi.org/10.1136/emermed-2016206284

Cohen, J., (1988). Statistical Power Analysis for the Behavioral Sciences, 2nd Edition. Routledge

Geolino – Wissen Erste Hilfe. (2023). Entnommen am 12.11.2023 von https://www.geo.de/geolino/wissen/18000-thma-erste-hilfe

IBM Corp. Released 2021. IBM SPSS Statistics for Windows, Version 29.0. Armonk, NY: IBM Corp

Österreichisches Jugendrotkreuz (2023). Helfi-Fragenkatalog 2023 – Erste Hilfe und Unfallverhütung, Fragenkatalog für die Volksschule, entnommen am 12.11.2023 von https://www.jugendrotkreuz.at/fileadmin/user_upload/JRK/LV/OO/Bilder/Bewerbe/Helfi_Fr agenkatalog_mit_Antworten.pdf